Shintoismus: Wie hat die alte Religion die Kultur Japans geprägt?
Wenn man über Japan spricht, kommt man unweigerlich auf den Shintoismus zu sprechen, eine Religion, die nicht nur die Jahrhunderte überdauert hat, sondern auch tief in der japanischen Kultur und im Alltagsleben verwurzelt ist. Von traditionellen Feiertagen bis hin zum Respekt vor der Natur reicht der Einfluss des Shintoismus weit über Tempel und Schreine hinaus. Aber was macht diese Religion so besonders und warum ist sie bis heute so wichtig geblieben? Wir werden in die Welt des Shintoismus eintauchen und untersuchen, wie er das kulturelle Gesicht Japans geprägt hat und weiterhin prägt.
Was ist Shintoismus?
Der Shintoismus ist ein Teil des japanischen Kulturerbes, der bei der Betrachtung der Weltreligionen nicht außer Acht gelassen werden darf. Verwurzelt im täglichen Leben der Japaner, ist der Shintoismus auch heute noch eine wichtige und praktizierte Religion. Schon der Name „Shintoismus“ verbirgt seine tiefe Bedeutung: Das Wort „shintō“ bedeutet übersetzt „der Weg der Götter“. Bei diesem spirituellen Weg handelt es sich um eine Reihe von uralten Glaubensvorstellungen, die sich im Laufe der Zeit zu einem vollwertigen religiösen System entwickelt haben.
Interessanterweise gibt es für den Shintoismus weder einen konkreten Begründer noch ein genaues Entstehungsdatum. Man geht davon aus, dass seine Ursprünge auf das Ende der Jomon-Periode zurückgehen, die den Zeitraum von etwa 13.000 bis 400 v. Chr. umfasst. In dieser Zeit nahmen die grundlegenden Ideen und Rituale Gestalt an, die schließlich die Grundlage dieser einzigartigen Religion bildeten.
Verehrung der Kami
Der Shintoismus misst der Natur große Bedeutung bei und betrachtet sie als eine göttliche Manifestation, die von den Menschen verehrt wird. Diese Religion, die auf polytheistischen und animistischen Glaubensvorstellungen beruht, verehrt eine Vielzahl von Kami - Geister und Gottheiten, die in verschiedenen natürlichen Objekten und Phänomenen wohnen. In Bergen, Meeren, Wäldern, Tieren und Pflanzen sehen die Japaner Kami mit besonderen Kräften. Darüber hinaus können auch von Menschenhand geschaffene Gegenstände wie Spiegel, Schwerter und Dolche zu Objekten der Verehrung werden, wenn sie mit einer heiligen Bedeutung ausgestattet sind. Einige Personen, wie Ahnen und Kaiser, werden ebenfalls als Gottheiten verehrt.
Auf den japanischen Inseln gibt es über acht Millionen Kami, die in einer Vielzahl von Schreinen verehrt werden, die von nationalen und lokalen Schreinen bis hin zu Familienschreinen reichen. Schreine befinden sich oft an Orten, die von natürlicher Schönheit geprägt sind, wie Berge, Wälder und Küsten. Man betritt den Schrein durch ein Torii, ein rot gestrichenes heiliges Tor, das symbolisch die Außenwelt vom heiligen Raum im Inneren trennt.
Unter den vielen Kami wird Amaterasu, die große Sonnengöttin, die die zentrale Gottheit der Shinto-Kosmogonie ist, besonders verehrt. Ihr Schrein in Ise, östlich von Osaka, ist die Stätte eines nationalen Kultes. Der Mythos besagt, dass sich Amaterasu nach einem Streit mit ihrem Bruder Susanoo, dem Gott der Stürme, in eine Höhle flüchtete, um die Welt in Dunkelheit zu tauchen und ihr Licht und Wärme zu entziehen. Um sie herauszulocken, veranstalteten die anderen Götter ein fröhliches Fest am Eingang der Höhle und stellten dort einen Spiegel auf. Als Amaterasu die Fröhlichkeit hörte und ihr Spiegelbild sah, war sie so fasziniert, dass sie nach draußen schaute, wo sie sofort ins Licht gezogen wurde. Seitdem folgt auf die Nacht immer die Morgendämmerung.
Rituelle Feste
Im Shintoismus gibt es außer dem täglichen Gottesdienst und der Pilgerfahrt keine regelmäßigen Gottesdienste. Dennoch nehmen Feste einen besonderen Platz in dieser Religion ein. Diese Veranstaltungen umfassen eine Vielzahl von Ritualen, die von Tanz, Musik, Gesang und üppigen Gaumenfreuden begleitet werden. Neben den jahreszeitlichen Festen gibt es auch Feste, bei denen sich die Gläubigen an einem bestimmten Tag an den Schreinen versammeln, um ihren Kami zu ehren.
Einige dieser Feste werden zu Großveranstaltungen, die viele Menschen anziehen. So zum Beispiel das japanische Neujahrsfest oder das berühmte Gion-Festival in Kyoto, bei dem die Einwohner der Stadt auf riesigen, reich geschmückten Plattformen durch die Straßen ziehen und ein farbenfrohes und unvergessliches Spektakel bieten.
Shintoismus und Buddhismus
Der Buddhismus kam im 6. Jahrhundert aus China nach Japan und stieß auf keinen Widerstand seitens des Shintoismus. Im Gegenteil, die beiden Religionen existieren harmonisch nebeneinander, und viele Japaner folgen beiden Traditionen gleichzeitig. Der Shintoismus, der von seinen Anhängern eher als eine auf Erfahrung, Gewohnheit und Tradition basierende Religion denn als strenge Doktrin angesehen wird, verschmolz problemlos mit dem Buddhismus. Kami, die Geister des Shintoismus, wurden mit lokalen Erscheinungsformen von Buddha und Bodhisattva in Verbindung gebracht.
Buddhistische Tempel werden oft neben oder sogar in Shinto-Schreinen gebaut, was die enge Beziehung zwischen diesen Glaubensrichtungen widerspiegelt. Diese gegenseitige Durchdringung wird besonders bei großen Shinto-Festivals deutlich, an denen buddhistische Mönche aktiv teilnehmen. Die Verbindung zwischen Shintoismus und Buddhismus wird besonders am Berg Fuji deutlich. Dieser berühmte Ort, der von der UNESCO als „Fujisan, ein heiliger Ort und eine Quelle der künstlerischen Inspiration“ anerkannt wurde, ist zu einem Symbol der Harmonie zwischen den beiden Religionen geworden.
Im 12. Jahrhundert wurde der Berg Fuji zu einem Zentrum für den asketischen Buddhismus, der Elemente des Buddhismus und des Shintoismus miteinander verband. Die UNESCO beschreibt diese Verbindung folgendermaßen: „Die Ehrfurcht und die Verehrung für die majestätische Gestalt des Berges Fuji und seine vulkanische Aktivität haben zu religiösen Praktiken geführt, die Shintoismus und Buddhismus, Mensch und Natur, symbolischen Tod und Wiedergeburt durch rituelle Auf- und Abstiege vereinen, die durch Wege, Schreine und Rastplätze am Fuße des Berges gekennzeichnet sind“. Heute koexistiert der Shintoismus in Japan friedlich mit dem Buddhismus, dem Konfuzianismus und dem Taoismus und beweist damit eine einzigartige religiöse Harmonie.
Fazit
Der Shintoismus ist das Herz und die Seele der japanischen Kultur, die die Weltanschauung und die Lebensweise des Landes seit Jahrhunderten geprägt hat. Der Einfluss des Shintoismus geht über die Tempel und Rituale hinaus und dringt in das tägliche Leben, die Traditionen und die Einstellung des japanischen Volkes zur Natur ein. Dieser uralte Glaube ist trotz seiner jahrhundertealten Geschichte auch heute noch aktuell und beeinflusst alle Aspekte der japanischen Kultur.
Zeugnisse